Eschborn/Melsungen, 13. April 2022: Die BRRS Partner Jutta Rüdlin und Dr. Stephan Schlegel blicken aus der Vergangenheit in die Zukunft und schätzen die Lage der Insolvenzverwaltung für 2022 ein. Ihr Fazit: Unsere Wirtschaft ist bislang gut gerüstet für die umfangreiche Transformation, der sie nun gegenübersteht. Die Insolvenzbranche hat durch Corona und die Maßnahmen der Bundesregierung zwei außergewöhnliche Jahre hinter sich, daher ist eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklungen ausgesprochen schwer.
Bricht für Insolvenzverwalter insgesamt eine Zeitenwende an? Wo stehen wir in Bezug auf Insolvenzen im dritten Coronajahr?
BRRS Partnerin Jutta Rüdlin: Die Bundesregierung hat konsequent auf Insolvenzvermeidung gesetzt in der „heißen“ Coronazeit, daher bin ich sehr gespannt, was passieren wird, wenn das Kurzarbeitergeld ausläuft, das viele Unternehmen bisher hat durchhalten lassen – in Kombination mit den Folgen des Krieges in der Ukraine, der Energiewende, steigender Inflation und anderen Einflüssen steht uns auf jeden Fall eine weitere kritische Phase bevor.
Welche Maßnahmen rund um Insolvenzen und Corona werden uns noch länger beschäftigen?
BRRS Partner Dr. Stephan Schlegel: Die Erleichterungen von Stundungen durch das Finanzamt und die Kassen bergen massive Probleme, die uns irgendwann einholen werden. Als Insolvenzverwalter sind wir ja gewohnt, sehr lange Zeiträume zu betrachten und Entwicklungen zu begleiten, daher haben wir bei BRRS Rechtsanwälte von Anfang an skeptisch auf die Maßnahmen geschaut, die auf Zeit zwar Erleichterung bringen, bei denen das dicke Ende nun aber doch ansteht.
Jutta Rüdlin: Die mehrfachen Verlängerungen mit Modifizierung rund um die Insolvenzantragspflicht waren nicht transparent genug und für Geschäftsführer mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden. Es kann keine Dauerüberbrückungen geben, zudem sich ganze Branchen transformiert haben – für die erforderlichen Transformationsprozesse gab es keine Unterstützung. Auch Sanierungen in der Insolvenz waren von jeglicher Förderung ausgeschlossen. Das finden wir schade, weil wir BRRS Insolvenzverwalter die Insolvenz als Chance betrachten – nicht als Versagen und Scheitern, das es unbedingt zu vermeiden gilt!
Worauf müssen sich Unternehmen im Jahr 2022 einstellen – was wird z. B. passieren, wenn das Kurzarbeitergeld ausläuft?
Jutta Rüdlin: Vermehrte Rückforderungen im Bereich der Überbrückungsgelder und teilweise auch beim Kurzarbeitergeld werden für Unternehmen schwer zu stemmen sein. Es ist außerdem wieder mit Fremdanträgen durch Finanzämter und Sozialversicherungsträger zu rechnen, nachdem die gewährten Stundungen bzw. Stillhalteabkommen ausgelaufen sind. Das Risiko von Forderungsausfällen wird zunehmen.
Stephan Schlegel: Insgesamt ist es schwer, etwas Verlässliches zu prognostizieren. Ich sehe vor allem die Lieferketten als Unruhefaktor für unsere gesamte Wirtschaft. Auch die fehlende wirksame Covid 19 Impfung in China und die dortige Notwendigkeit, die Konjunktur anzukurbeln, sind unkalkulierbare Einflüsse – von den Auswirkungen des Ukrainekrieges ganz zu schweigen.
Gibt es so etwas wie „Coronagewinner“ und „Coronaverlierer“?
Stephan Schlegel: Die kapitalstarken Marktteilnehmer sind die Gewinner; sie haben Personal gehalten, umorganisiert, revitalisiert und sich noch mehr digitalisiert. Die kleineren Unternehmen bzw. diejenigen, die nicht so finanzstark sind, verlieren ihr Personal, da gerade viel Bewegung im Markt ist. Aufgrund der Coronapandemie hinterfragen viele Menschen ihr aktuelles Arbeitsumfeld. Für die Insolvenzverwaltung ist es ein neues Phänomen, dass wir neuerdings nicht um jeden Preis darum kämpfen, Arbeitsplätze zu erhalten, sondern eher versuchen müssen, die Leute zum Bleiben zu bewegen
Wie sieht die Insolvenzverwaltung der Zukunft aus?
Jutta Rüdlin: Digitaler. Abstimmungsintensiver. Eher rückversicherungsorientiert. Aber auch: effizienter, unbürokratischer und bei BRRS Rechtsanwälte mit noch mehr Fokus auf den Menschen.